Katastrophale Bedingungen rund um den Bostalsee für 14 aus Galizien entsandte Arbeitnehmer

Eine etwas andere Vorweihnachtgeschichte aus Galizien und dem Saarland

Der Bostalsee ist ein beliebtes Ausflugsziel für viele Saarländerinnen und Saarländer. Vor allem der dortige Ferienpark mit den Bademöglichkeiten lockt im Sommer zahlreiche Besucher*innen an. Doch gerade das dortige Freizeitzentrum erlangte 2013 eine unrühmliche Bekanntheit, als der skandalöse Einsatz mehrerer rumänischer Arbeitnehmer*innen bekannt wurde, der 2015 mit der Verurteilung zweier Geschäftsmänner wegen massenhafter Scheinselbstständigkeit zu Bewährungsstrafen endete. Auch im Dezember 2020 gibt es nichts Erfreuliches für europäische Arbeitnehmer im Einsatz in dieser Region zu berichten.

Am Montag, den 23. November 2020, begrüßte Jesús Fariña eine Gruppe von 14 Arbeitnehmern, die aktiv auf der Suche nach einem Arbeitsplatz waren. Gefunden hatte er sie durch eine Zeitungsannonce. Den Männern aus Galizien, unter denen sich auch Peruaner, Bolivianer und Senegalesen befanden, wurde in Job im ländlichen Süddeutschland angeboten. Gegenstand des Angebots war der Bau einer Infrastruktur für die Verlegung zu vergrabenden Glasfaserleitungen. Die Zusage belief sich auf 3500 Euro pro Monat und einen Vorschuss von 400 Euro pro Person zur Deckung der Kosten für die Reise nach Deutschland. Darüber hinaus würde das Unternehmen Fahrzeuge für die Reise und ein Haus zur Unterkunft auf deutschem Territorium zur Verfügung stellen.

Als Arbeitgeber und Auftraggeberin wurde die Firma Camsoar SL aus Poio, Pontevedra genannt, für die Jesús Fariña Calvo als „Einsatzleiter“ auftrat. Eingetragen als verantwortliche Unternehmer bei Camsoar sind Camilo Leonardo Aguilar Romo (auch Administrator des EuGH Construcciones 2018 SL und des Madrid Centro Geriátrico Los Rosales SL) und Rebeca Posada Abilleira. Dies bedeutet, dass die beiden Geschäftsleute nach der am Ort der Einstellung geltenden Gesetzgebung für jegliche Nichteinhaltung in Bezug auf Löhne, soziale Sicherheit und Unfallvorschriften haften. Ob diese beiden Personen nur Eingetragene sind und schlussendlich Jesús Fariña Calvo als Verantwortlicher gilt, wird durch die Nachfrage der CIG bei den zuständigen Behörden geklärt werden. Die galizische Gewerkschaft CIG [Confederación Intersindical Galega] vermutet, dass Camsoar die 14 Beschäftigten über Werksvertragsbeziehungen für einen Auftrag von Nokia Telxuis Towers Deutschland beschäftigt. Der für das Bauwesen zuständige Sektor FCM [Verband für Bauwesen und Holz] der CIG stellte durch Nachforschungen fest, dass Camsoar erst zwei Monate vor Beginn des Einsatzes der Arbeitnehmer gegründet wurde, was die Vermutung zulässt, dass die Firma eigens nur hierfür gegründet wurde.

Doch zurück zu den Arbeitnehmern. Der Start der Reise von Galizien ins Saarland war für den Dienstag, dem 24. November, um 15:30 Uhr geplant. Los ging es jedoch erst am Mittwoch, dem 25. November, um 2:30 Uhr in der Nacht, nachdem die Arbeitnehmer zuerst einen PCR-Test auf Grund der Corona-Pandemie durchführen mussten. Diesen Test mussten sie selbst bezahlen. Die Fahrzeuge für die 1800 km lange Fahrt nach Deutschland wurden auf einen Privatwagen und einen Lieferwagen reduziert, was nicht verwunderlich unzumutbare Reisebedingungen für die 14 Arbeitnehmer darstellte. Von der versprochenen Antrittsprämie, die auch als Reisekosten zu verstehen sind, wurden die 400 Euro pro Arbeitnehmer auf 350 Euro reduziert. Mit diesem Geld ausgestattet schafften die Reisenden gerade bis in französisches Gebiet. Für Benzin, Maut und Unterhalt reichte die Summe nicht aus, um bis zum Ankunftsort in Deutschland zu gelangen. Nach einem Aufenthaltstag, an dem sie mehr Geld verlangten, erhielten sie schließlich weitere 300 Euro, die ihnen halfen, endlich deutsches Territorium zu erreichen.

Im Saarland angekommen stellten sie fest, dass die versprochene Unterkunft nicht die Mindestvoraussetzungen in Bezug auf Gesundheit und Bewohnbarkeit erfüllte, die Kollegen beschrieben die Behausung als „unzumutbar“ für die Personengruppe. „Am selben Tag, als wir ankamen, wollten alle gehen. Sie hatten uns ein Gehalt von rund 3.500 Euro oder mehr versprochen, daher war dies eine sehr gute Gelegenheit, insbesondere in der heutigen Zeit“, so David Deus, einer der Betroffenen.

Einen Tag nach ihrer Ankunft lag immer noch kein gültiger Arbeitsvertrag zur Unterzeichnung vor. Alleine klar war, dass die Arbeitsaufgabe darin bestehen würde, 45 cm breite Gräben für die Glasfaserleitungen auszuheben. Als Leistungsvorgabe wurde eine Geschwindigkeit von mindestens 100 Metern Graben pro Tag und Arbeitnehmer aufgestellt.

Als die tatsächlichen Bedingungen bekannt waren, verlangten mehrere Arbeitnehmer, dass das Unternehmen sie nach Galizien zurückschickt. Dies wurde vom Unternehmen abgelehnt. Nach mehreren Gesprächen und Diskussionen stimmte die Unternehmensleitung einem „Kompromiss“ zu, der beinhaltete, "30 % eines Flugtickets zu zahlen" oder auf die Ankunft eines neuen Transporters aus Galizien zu warten. "Die Unterstützung für unsere Situation war praktisch null", so einer der Betroffenen.

Am 1. Dezember 2020 beschließen einige Arbeiter entgegen den unzumutbaren Bedingungen mit der Arbeit zu beginnen, während andere immer noch auf die Möglichkeit einer Rückkehr warten. Die Arbeitnehmer nehmen Kontakt zu CIG auf, um auf ihre Situation aufmerksam und diese öffentlich zu machen. Angesichts dieser Situation forderte auch die Gewerkschaft die sofortige Rückführung der Beschäftigten bei Camsoar, die "unter miserablen Bedingungen nach Deutschland gelockt wurden", sowie die Zahlung aller dem Personal entstandenen Kosten und den Beitrag der Löhne für die Tage, in denen die Arbeitnehmer einsatzbereit waren. Tatsächlich wurde nicht einmal vom spanischen Konsulat etwas unternommen, um die Situation zu lösen. "Im Gegenteil, sie haben versucht, die Kollegen davon abzubringen, ihre Probleme öffentlich anzuprangern.", so ein Vertreter der CIG, die einen Anwalt beauftragt hat, der an diesem Fall arbeitet.

Am 2. Dezember, nachdem diese Information in den galizischen Medien veröffentlicht wurden, bedrohte der „Geschäftsführer“ Jesús Fariña Calvo die für die Beschwerde verantwortlichen Arbeitnehmer massiv, da einige von ihnen in den Medien ausdrücklich erwähnt wurden. Er verweigerte ihnen jede Möglichkeit einer Rückführung durch das Unternehmen und wies sie aus dem Haus, in dem sie wohnten, aus. Selbst ihre Mahlzeit durften sie nicht beenden. Am selben Tag zwang er alle Arbeiter, ihm vor 17 Uhr eine Deklaration mit ihren Namen und Identitätspapieren zu unterzeichnen, mit genauen Anweisungen zu ihrer persönlichen Aussage, dass es ihnen gut geht und dass sie das Unternehmen "moralisch und rechtlich" unterstützen. Im gleichen Dokument werden sie aufgefordert, persönliche Daten anzugeben, um die Arbeitsverträge auszufüllen (die bisher in vielen Fällen nicht existieren), um sich vor einem möglichen Gerichtsverfahren abzusichern. Die Dokumentation dieser Vorgehensweise liegt CIG vor und sie bewahrt diese Zwangsgespräche auf, die gegebenenfalls der Justizbehörde zur Kenntnis gebracht wird.

In einer Veröffentlichung von CIG heißt es, dass es „zusätzlich zu den oben genannten Tatsachen fraglich ist, ob in Pontevedra ausdrücklich Personen eingestellt werden können, deren Vertragszweck die Erbringung von Dienstleistungen in Deutschland ist, da eine andere Vereinbarung als die des Bestimmungsortes anzuwenden ist. [Anmerkung: siehe Arbeitnehmer-Entsendegesetz AentG] Auch die Art der Entsendung ohne präventive Maßnahmen für Covid-19 gilt es zu klären. Ebenso ist die Tatsache zu prüfen, dass sie entsendet wurden, bevor sie die Verträge unterzeichneten - und somit die Verträge kannten - und aus ihrer eigenen Tasche Kosten wie PCR-Tests einkalkulieren mussten, um reisen zu können. Dies stellt einen Verstoß gegen die Arbeitsnorm und einen eindeutigen Geschäftsmissbrauch dar, um die wahre Natur der Arbeit zu verbergen, durch die einigen Arbeitnehmer galicischer, peruanischer, bolivianischer oder senegalesischer Nationalität, die sich in einer verzweifelten Lage befanden, mit dem Versprechen von 3.500 pro Monat nach Deutschland gelockt wurden.“

Mittlerweile sind Arbeitnehmer unter erheblichen Strapazen nach Galizien heimgekehrt. Sie streben dort über CIG eine Klage gegen Camsoar an. Für die im Saarland verbleibenden Arbeitnehmer gilt nun ein Tarifvertag aus Pontevedra, in dem als Entgelt 1100 € angegeben sind. Die Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche soll von Montag bis Sonntag geleistet werden. Camsoar geht weiter den Weg, Beschäftigte in Galizien für den Einsatz im Saarland zu rekrutieren und rückt somit von der skandalösen Unternehmenspolitik nicht ab.


Mario Maveiras, zuständiger Bezirkssekretär der CIG in dieser Sache, steht für Rückfragen gerne bereit.
Verband für Bauwesen und Holz, FCM-CIG A Coruña
Telefon: +34 981 169 811 | Mobil: +34 609 020 550 | Fax: +34 981 151 539 | E-Mail: fcmcoruna@galizacig.gal
 
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