Der Tod eines Fans - Iñigo Cabacas


 

Einsätze von Polizisten mit unverhältnismäßiger Gewalt gehören bei den Bürger*innen in Euskal Herria leider zur Normalität. Egal ob von der spanischen Polizei, der Guardia Civil oder der Ertzaintza verübt. Besonders tragisch ist der Tod von Iñigo Cabacas, der sich im April dieses Jahres zum achten Mal jährte.

 

 

Athletico Bilbao – Schalke 04

Iñigo Cabacas Liceranzu, "Pitu" genannt, hatte mit 60.000 anderen Fans von Athletic Bilbao das Weiterkommen seines Clubs im Europapokal gegen den FC Schalke 04 am 5. April 2012 gefeiert. Nach dem Hinspielerfolg von 4:2 reichte den Leones ein 2:2 vor heimischen Publikum zum Einzug ins Viertelfinale des Europa-Cups. In Bilbao herrschte, wie man so schön sagt, Hochstimmung. Für Iñigo sollte es der letzte Abend werden, den er bei Bewusstsein erlebt.

Bereits im Stadion San Memes kam es zu einem Übergriff der Ertzaintza. Eine Provokation genügte, in den Schalke-Block hineinzuprügeln, darunter Kinder und Familien. Erschrocken über solche Unverhältnismäßigkeit, verließen einige aus Angst das Stadion.

Feiern an der Herriko Taberna

Iñigo
Nach den Spielen gingen vor allem junge Fans in verschiedene Kneipen in der Stadt. Iñigo Cabacas und viele andere gingen in eine Herriko Taberna [eine "Volkskneipe", die von Anhängern der abertzalen Linken geführt wird]. In eine Herriko, die sich auf einem kleinen "Platz" mit Pflanzgefäßen befindet, der durch eine Gasse mit der Straße Licenciado Poza verbunden ist. Dieser kleine "Platz" liegt abseits der Straße María Díaz de Haro in der Nähe des Stadions; er verläuft parallel zur Straße San Mames selbst, einem Kneipenviertel, das als Ziel der Fans nach einem Spiel im Stadion bekannt ist. Der Herriko ist zu klein, um alle diejenigen unterzubringen, die sich dort versammelt haben. Kein Problem, denn Besucher*innen versammelten sich außerhalb der Kneipe auf dem Platz. Auf diesem Platz gab es ein Gerangel von ein paar Leuten, der Rest der Anwesenden beruhigte dies, sagte ihnen sie sollten aufhören, da dies sei eine Zeit zum Feiern ist. Das Handgemenge endete und die Feierlichkeiten gingen weiter.

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Einige Zeit später traf ein Kommando der Polizei ein. Es handelte sich um die Ertzaintza, eine 1982 geschaffene baskische Polizeitruppe von seinerzeit 7.500 Polizisten, die zu dieser Zeit zahlreiche Zusammenstöße mit baskischen Streikposten und mit Anhängern der abertzalen Linken hatte. Abertzales und viele andere bezeichnen die Ertzaintza als "zipayos" (d.h. "sepoys", lokale Soldaten, die von den Kolonialbesatzern rekrutiert wurden). Einige der Jugendlichen empfanden die Ankunft der maskierten und behelmten Polizei als Provokation und begannen, Flaschen auf den Einsatzwagen zu werfen.

Der Polizeibeamte, der für den Einsatz zuständig war, bittet um Verstärkung, und diese wird entsandt. Die eintreffende Polizeieinheit steigt aus ihren Wagen auf und beginnt Gummigeschosse aus nächster Nähe auf die Menge zu feuern (der "Platz" ist weniger als 45 Meter von der Straße entfernt), die Menschenmenge zerstreut sich. Eine kleine Gruppe bleibt zurück, die Flaschen auf die Polizei wirft, aber selbst sie tauchen schließlich zur Deckung ab. Die Menschen verstecken sich in Türöffnungen, zusammengekauert an die Wände auf beiden Seiten des "Platzes". Die Besucher*innen in der Kneipe fragen sich, was da vor sich geht. Ein ortsansässiger Ladenbesitzer hat die Jalousie über seinem Eingang hochgezogen, und die Leute drängen sich dort hinein. Einige Menschen verstecken sich hinter den hölzernen Pflanzgefäßen, die in einer Reihe in der Mitte des engen Platzes stehen.

Gummigeschosse

Die Kugeln der Gummigeschosse fliegen 200m pro Sekunde schnell, das sind 720 km/h – unmöglich sie kommen zu sehen. Die offizielle Polizeianweisung lautet, nicht aus der Nähe und nur auf die untere Körperhälfte zu schießen. Doch die Mehrzahl der registrierten Verletzungen sind vom Rücken aufwärts, sie haben bereits zu sechsstelligen Entschädigungszahlungen geführt. Denn der Einsatz dieser „Mordinstrumente“ ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch geächtet. In einer Reihe von EU-Ländern sind sie verboten, der baskischen Regierung wurde deshalb im Jahr 2011 eine Rüge erteilt.

Die Ertzaintza eskaliert weiter und verliert den Überblick

Doch zurück zur Nacht des 5. Aprils 2012. Nach einiger Zeit gehen drei junge Männer mit erhobenen Händen auf die Polizei zu und bitten sie, mit dem Abfeuern von Gummigeschossen aufzuhören; die Polizei schlägt sie mit Schlagstöcken. Währenddessen werden einige in der Menge in der Nähe darauf aufmerksam, dass eine Person auf dem Boden liegt, offenbar bewusstlos, wobei Blut aus dem Ohr und dem Hinterkopf fließt. Menschen gehen zu ihm um ihm zu helfen, und einer seiner Freunde erkennt Inigo Cabacas. Er holt sein Mobiltelefon und eilt auf die Polizei zu, um ihr mitzuteilen, dass jemand schwer verletzt ist, und um einen Krankenwagen zu rufen. Ein Polizeibeamter sagt ihm, er solle das Handy fallen lassen. Iñigo Freund wiederholt seine dringende Bitte, und der Polizeibeamte sagt ihm erneut, er solle das Handy fallen lassen, er schlägt auf ihn mit einem Knüppel ein. Der Mann lässt sein Handy fallen und zieht sich vor der Polizei zurück. 

Die Polizei dringt in auf den Platz vor und erreicht den verletzten Mann, um den sich einige Menschen versammelt hatten; eine Frau leistet Erste Hilfe.  Ein Polizist sagt ihr, sie solle weggehen.  Sie sagt ihm, dass der Mann einen Krankenwagen braucht und dass sie Druck ausübt, um die Blutung zu stoppen.  Er sagt, er wolle sich selbst überzeugen und zieht an ihrem Arm, aber nach einer Weile hört er auf und geht weg. Schließlich trifft ein Krankenwagen ein und bringt Iñigo Cabacas, der immer noch bewusstlos ist, ins Krankenhaus, wo er im Koma liegt.

Iñigo Cabacas stirbt nach drei Tagen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Die Autopsie der Leiche von Iñigo Cabacas bestätigte, dass die Verletzungen, die er erlitten hatte, durch den Aufprall eines Gummigeschosses verursacht wurden. Der junge Mann wurde am Donnerstag um Mitternacht mit einem Schädelbruch und Blutungen in das Krankenhaus Basurto eingeliefert. Er lag 72 Stunden lang im Koma, bis am Montagmorgen medizinische Untersuchungen den Hirntod bescheinigten.

Reaktionen nach der Tötung

Die erste offizielle Reaktion gibt der Innenminister der autonomen baskischen Regionalregierung, Rodolfo Ares, der der Presse erklärt, dass die Ertzaintza ordnungsgemäß und im Einklang mit ihren Verfahren gehandelt haben, obwohl er den unglücklichen Tod des jungen Mannes bedauert. Er wiederholt auch die erste Verteidigungslinie der Ertzaintza, dass sie aufgerufen wurden, einem bei einem Kampf Verletzten zu helfen, und dass die Menge den anwesenden Krankenwagen daran hinderte, den Verletzten Hilfe zu leisten.

Wenn Augenzeugen ihre Version erzählen und die Reporter einiger Zeitungen beginnen, Informationen zu sammeln, wird klar, dass der Minister den Vorfall in der zur Verfügung stehenden Zeit unmöglich hätte untersuchen können. Darüber hinaus stellt sich heraus, dass bis nach dem Vorfall kein Krankenwagen anwesend war, und es scheint, dass zuvor kein Anruf für einen Krankenwagen gemacht worden war. Darüber hinaus sagte die Frau, die Iñigo am Tatort begleitete, der Sanitäter des Krankenwagens, als sie sich über die Verspätung ihres Eintreffens beschwerte, dass die Polizei ihren Eintritt verzögert habe. Unter dem Sturm der Kritik aus der Zivilgesellschaft und von der Partei der Abertzalen Linken, EH Bildu, verspricht die Ministerin eine umfassende Untersuchung.

Die Aufnahmen, die Gara vorlagen

Einige Zeit später wird von der Gara, einer pro-unabhängigen baskischen Tageszeitung, eine Aufzeichnung der Polizeikommunikation in der Nacht zur Verfügung gestellt. Aus der Aufnahme wird Folgendes deutlich:

* Der Kontrolleur im Hauptquartier Ertzaintza ruft den Verantwortlichen eines Polizeiwagens an und weist ihn an, zum Herriko zu gehen, wobei er sagt, dass es dort zu einem Kampf gekommen sei und dass jemand verletzt sei.

* Der Verantwortliche des Einsatzwagens berichtet, dass sie angekommen sind und dass einige mit Flaschen nach ihnen werfen, dass sie Verstärkung benötigen. Der Krankenwagen wird nicht erwähnt.

* Der Kontrolleur bestätigt, dass Verstärkung geschickt wird.

* Die Verstärkung trifft ein. Einer der Leiter der Einsatzfahrzeuge meldet nun, dass nichts passiert, alles ist in Ordnung.

* Der Kontrolleur antwortet, dass er möchte, dass die Polizei in das Gebiet eindringt, es in Besitz nimmt und alle notwendigen Verhaftungen vornimmt. Er betont, dass er klar verstanden werden möchte, dass sie "mit allem, was wir haben, in die Herriko gehen" und die Kontrolle über das Gebiet übernehmen sollen, "und dann wird alles in Ordnung sein".

* Der Leiter des Einsatzwagens antwortet, dass der Befehl verstanden habe. Bald danach sind Schüsse zu hören.

Kampagne des Fanclubs aupaAthletic

Die Fangruppe aupaAthletic starteten eine Kampagne, die als Ziel eine gründliche Untersuchung des Todes von Iñigo Cabacas und den Rücktritt des Innenministers der Baskischen Autonomen Gemeinschaft, Rodolfo Ares, hat.


Der Text des Aufrufs

Was als Feier eines Fußballsieges begann endete mit Tränen und Chaos, als die baskische Polizei Ertzaintza eingriff und die Situation außer Kontrolle geraten ließ. Der 28-jährige Athletic Bilbao-Fan Iñigo Cabacas wurde nach dem Europa League-Spiel gegen Schalke 04 in der vergangenen Woche von einem Gummigeschoss der Polizei am Kopf getroffen und starb.

Vier Tage später gab der baskische Innenminister Rodolfo Ares eine Pressekonferenz um die Sache zu erklären. In seiner Stellungnahme gab er an, Iñigo sei schon vor dem Polizeieinsatz verletzt gewesen, auch wenn Augenzeugen dem wiedersprachen. Außerdem gab er an, der Ertzaintza-Einsatz sei nötig gewesen, um auf vorangegangene Aktionen zu antworten. Auch diese Aussage stimmt nicht mit den Aussagen der Augenzeugen überein. Die Autopsie bestätigte jedoch, dass Iñigo aus nächster Nähe durch ein Gummigeschoss ums Leben kam. Deshalb gab Innenminister Ares eine zweite Pressekonferenz, in der er sein Statement in eine andere Richtung lenkte. Um das mediale Bild der Polizeiverantwortung zu verfälschen, machte er Andeutungen zu Iñigos angeblicher politischer Einstellung, welche jedoch unbekannt ist und hier auch keine Bedeutung hat. Zwei Wochen später hat Ares immer noch nicht gesagt, ob er zurücktritt. Er weist jedoch weiterhin jede Verantwortung an dem Fall von sich und zweifelt die Autopsie an.

Was bleibt ist eine Familie, die ihren Sohn auf grausame Art und Weise verloren hat, eine Gruppe von Freunden, die einen guten Freund in einer Nacht verloren hat, die eigentlich feiernd verbracht werden sollte, und die Athletic Bilbao-Fans, die von seinem Tod geschockt und zutiefst getroffen sind. Er ist gegangen und nichts wird ihn zurückbringen. Trotzdem müssen wir zusammenstehen und die Wahrheit suchen, da es jeden von uns zu jeder Zeit genauso treffen kann.

Die Polizei sollte uns ein Gefühl der Sicherheit und Beschütztheit vermitteln. Stattdessen haben die Leute Angst, wenn Polizei vor Ort ist, wenn Geschosse blind abgefeuert werden und jeder versehentlich verletzt oder getötet werden kann. Aus diesem Grund hört man heuzutage immer öfter von Machtmissbrauch und gerichtlicher Straflosigkeit. Der Tod von Iñigo darf nicht ohne Konsequenzen bleiben, wir stehen zusammen und suchen die Wahrheit. Wir müssen daher folgendes fordern:

- ein gerechteres, transparenteres System, eines, das die inakzeptablen innerpolizeilichen Ermittlungen beendet. Es muss gründlich ermittelt werden und es sind die zur Rechenschaft zu ziehen, die schuldig sind. – wir fordern den Rücktritt von Rodolfo Ares wegen des Todes von Iñigo Cabacas

Wir fordern Gerechtigkeit!

Fußballfans verdienen diese Misshandlung durch die Polizei nicht!

San Mamés

Die Suche nach Gerechtigkeit

Die Familie des Opfers beauftragte einen Anwalt, Jone Goirizelaia. Dieser muss feststellen, dass die polizeiliche Untersuchung unter dem Vorwand der gerichtlichen Untersuchung eingestellt wurde, Nach Angaben des Anwalts der Familie enthält die Akte nur drei Seiten.

Es wird eine Reihe von rechtlichen Anträgen gestellt, z.B. dass die gesamte Polizei des Vorfalls verpflichtet wird, eine Aussage zu machen, dass alle Polizisten, die eine Gummigeschosspistole abgefeuert haben, identifiziert werden, dass der Kontrolleur verpflichtet wird, eine Aussage zu machen, aber alle werden von einem Richter unter Angabe einer Reihe von Gründen abgelehnt. In den folgenden drei Jahren wird wenig festgestellt, außer dass drei Polizisten freiwillig zugeben, Gummigeschosse abgefeuert zu haben, und die Identität des Kontrolleurs am Abend allgemein bekannt wird. Es gibt eine weit verbreitete Empörung, als der am Todestag von Iñigo diensthabende leitende Offizier zum Chef der Ertzaintza ernannt wird. Auf einer abgehaltenen Pressekonferenz gab der Anwalt der Familie Cabacas, Jone Goirizelaia, bekannt, dass sie möglicherweise den Offizier identifiziert habe, der den tödlichen Schuss abgegeben habe.


Im Verlauf der Kampagne von Anhängern der Familie Cabacas stellte sich heraus, dass die Polizei in Bezug auf den Vorfall kein anerkanntes Verfahren befolgte: Es wurden keine Nachbesprechungserklärungen von jedem der Polizeiteilnehmer aufgenommen, die Schusswaffen wurden nicht untersucht, um festzustellen, welche abgefeuert worden waren, und es wurde keine Bestandsaufnahme der Anzahl der abgefeuerten Gummigeschosse durchgeführt. Es wurde kein Versuch unternommen, nach dem Vorfall mit Zeugen Kontakt aufzunehmen, um sich ein Bild von dem Geschehenen zu machen. Tatsächlich wurden einige Zeugen, die sich an die Polizeidienststelle wandten, um eine Aussage zu machen, aufgefordert, sich zu entfernen.

Erklärung von Eusko Alkartasuna

Juanjo Agirrezabala
In einer Erklärung, die drei Monate nach dem Tod von Iñigo Cabacas durch eines von der Ertzaintza verschossenen Gummigeschosses verschickt wurde, hatte der Eusko Alkartasuna Parlamentarier Juanjo Agirrezabala angeprangert, dass das Innenministerium von Lakua trotz der verstrichenen Zeit "immer noch nicht geklärt hat, was passiert ist, und seine Zuständigkeiten auf interner Ebene nicht geklärt hat.“

"Der Innenminister [Rodolfo Ares] versteckt sich hinter der Tatsache, dass das Justizsystem weiter ermittelt, aber die Wahrheit ist, dass das Innenministerium noch nicht einmal erklärt hat, wer den Schießbefehl gab und wer das Geschoss abgefeuert hat", welches den Tod Cabacas' verursachte, prangerte der Parlamentarier von EA an, der darauf bestand, dass "die Bürger das Recht haben, die Wahrheit zu erfahren, und es die Pflicht der Regierung ist, sie im Detail wieder zu geben.

Agirrezabala sagte, er befürchte, dass der Tod von Cabacas ungestraft bleiben könnte, und beschuldigte Ares, nicht zur Aufklärung der Geschehnisse beigetragen zu haben, da "das Innenministerium eine Version der Ereignisse konstruiert hat, die nicht mit der der Zeugen übereinstimmt, bis hin zu dem Punkt, dass der Stadtrat selbst so weit ging, sie im Parlament der Lüge zu beschuldigen, um die Ertzaintza zu diskreditieren".

Der EA-Sprecher im Plenarsaal von Gasteiz wirft dem Innenministerium von Lakua daher vor, "undurchsichtig und ohne wirkliche Bereitschaft zur Klärung der Dinge zu handeln und, was noch schlimmer ist, sich zu weigern, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um sicherzustellen, dass sich derartige Vorkommnisse nie mehr wiederholen, d.h. die Verwendung von Gummibällen ausnahmslos in allen Ertzaintza-Einheiten zu verbieten, wie EA nachdrücklich gefordert hat".


Gummigeschossverbot abgelehnt

Im Jahr 2015 wurde dem baskischen Parlament ein Antrag vorgelegt, den Einsatz von Gummigeschossen in dem von ihm kontrollierten Gebiet (CAV) zu verbieten. Stattdessen wurde ein Vorschlag angenommen, den Einsatz der Geschosse auf "Situationen ernster Gefahr" für die Polizei "zu beschränken" und "definitiv einen Ersatz zu suchen". Die spanische rechtsgerichtete PP, der liberale spanische Gewerkschafter UPyD und die PNV (Baskische Nationalisten) stimmten dafür, zusammen mit der baskischen Version der spanischen Sozialdemokraten, der PSE. Das einzige Parteibündnis, die gegen den Änderungsantrag stimmte, war EH Bildu, sie hatten den ursprünglichen Antrag gestellt, der auf ein vollständiges Verbot und die Entfernung der Raketen abzielte.

Cabacas Eltern vor der Gedenktafel am Tatort
Unter den Teilnehmern der Parlamentsdiskussion auf der Besuchertribüne befanden sich auch die Eltern von Iñigo Cabacas. Danach standen sie auf dem Korridor draußen dem Sprecher der PNV, Joseba Egibar, gegenüber. Während des Austauschs versuchte ein anderer PNV-Abgeordneter, Luke Uribe-Etxebarria, das Filmen durch den baskischen Fernsehsender ETB zu verhindern. Dieser Versuch wird Gegenstand einer Beschwerde von EH Bildu an den Parlamentspräsidenten sein; sie betrachten ihn als besonders schwerwiegend, da Uribe-Etxebarria auch im Vorstand des Fernsehsenders sitzt und die Dreharbeiten in öffentlich zugänglichen Bereichen stattfanden.

"Ich werde nie wieder in dieses Parlament kommen .... Ich fühle mich betrogen", sagte Manue Cabacas, Vater des Verstorbenen, als er über die Mehrheitsentscheidung sprach. "Mein Sohn ist tot .... Ich wollte nur sicherstellen, dass es nie wieder jemand anderem passieren würde …"

April 2018
Nach drei Jahren noch keine Anklagen

Am dritten Jahrestag des Tods von Inigo "Pitu" Cabacas wurde neben vielen anderen Gedenkfeiern im Baskenland eine zehnminütige Schweigeminute im Stadion von San Mames eingelegt. Neben Inigo Cabacas gedachten viele auch Aitor Zabaleta, Fan der Mannschaft Real Sociedad, der 1998 in Madrid von faschistischen Ultras des Club Atletico Madrid ermordet wurde.  Viele Basken waren sich nach drei Jahre bewusst, die seit Inigo Cabacas' Todes vergangen sind, ohne dass jemand im Zusammenhang mit seinem Tod auch nur angeklagt worden ist, sei es beim Verhalten der baskischen Polizei oder im Vorgehen oder in der Verwendung von gummibeschichteten Stahlgeschossen.  Ein Wechsel in der politischen Kontrolle der baskischen Regionalregierung von der sozialdemokratischen Partei von Patxi Lopez zur Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) von Urkullu hat keine Auswirkungen gehabt.

Demo-Aufruf 2019-04-11
Gara und Ugarteko

Iñaki Soto, Chefredakteur von Gara, mit Cabacas Eltern
Im Februar 2018 enrschied ein Richter im Fall Cabacas zugunsten von Gara. Der Chef der autonomen baskischen Polizei hatte gegen die Zeitung eine Beschwerde eingereicht, in der er behauptete, sie habe seine "Ehre" und "Privatsphäre" verletzt. Ein Gericht in Bilbo hatte eine Klage des Leiters der Ertzaintza, bekannt als Ugarteko, gegen die Zeitung Gara und den Anwalt der Familie von Iñigo Cabacas, Jone Goirizelaia, abgewiesen. Ugarteko verlangte von der Zeitung und dem Anwalt 250.000 Euro und sagte, sie hätten seine "Ehre" und "Privatsphäre" nicht respektiert. Mehrere Videos von Gara zeigten damals, wie Ugarteko die Befehle für den Polizeieinsatz gab, der im April 2012 das Leben von Cabacas forderte. Der Richter entschied, dass die Journalisten im Rahmen ihres Berufs handelten. Der Richter argumentierte auch, dass Garas Veröffentlichungen in diesem Fall in den Bereich der Informationsfreiheit fielen.

Polizeibeamter verurteilt, fünf Freisprüche

Das Urteil erging zwanzig Tage nach Abschluss des Prozesses: Das Gericht von Bizkaia hat den pensionierten Polizeibeamten Juan José de Pablo wegen des Todes von Iñigo Cabacas, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Es handelt sich um den Polizeibeamten, der die Version verteidigte, zum Zeitpunkt der Ereignisse nicht geschossen zu haben. Fünf weitere baskische Polizisten wurden freigesprochen.
Einer der sechs baskischen Polizisten, die wegen des Todes von Iñigo Cabacas angeklagt waren, wurden nach einem von den Beamten abgeschossenen Gummigeschosses verurteilt. Das Urteil betrifft Juan José de Pablo, der vom Gericht von Bizkaia zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Vier Jahre lang kann der pensionierte Polizeibeamte seinen Beruf nicht ausüben. Der Richter beschuldigte ihn "eines Verbrechens der Tötung durch schwere berufliche Fahrlässigkeit". Die anderen Angeklagten, Kepa Muriel, Tomás González, José Ignacio Moure, Dany Johnny Fernández und Eduardo Guzmán, wurden freigesprochen.
Er ist die einzige Person, die am Tag des Vorfalls, dem 5. April 2012, mit seinem Vorgesetzten über seine Uneinigkeit mit dem Abfeuern von Gummigeschossen auf der Straße in Bilbo kommuniziert hatte. Die anderen Angeklagten sagten dem Richter, dass Juan José de Pablo an Ort und Stelle das Kommando hatte, obwohl er sagte, er sei nur für seinen Einsatzwagen verantwortlich gewesen und er sei nicht einmal aus dem Wagen ausgestiegen. Der Prozess im Fall Cabacas begann am 15. Oktober und endete am 9. November, sechseinhalb Jahre nach den Ereignissen. Die Familie hatte für jeden der sechs Polizeibeamten vier Jahre Gefängnis beantragt. Der Staatsanwalt verteidigte seinerseits den Freispruch.