Der Tod eines Fans - Iñigo Cabacas
Einsätze von Polizisten mit unverhältnismäßiger Gewalt gehören bei den Bürger*innen in Euskal Herria leider zur Normalität. Egal ob von der spanischen Polizei, der Guardia Civil oder der Ertzaintza verübt. Besonders tragisch ist der Tod von Iñigo Cabacas, der sich im April dieses Jahres zum achten Mal jährte.
Athletico Bilbao –
Schalke 04
Iñigo Cabacas
Liceranzu, "Pitu" genannt, hatte mit 60.000 anderen Fans von Athletic
Bilbao das Weiterkommen seines Clubs im Europapokal gegen den FC Schalke 04 am
5. April 2012 gefeiert. Nach dem Hinspielerfolg von 4:2 reichte den Leones ein
2:2 vor heimischen Publikum zum Einzug ins Viertelfinale des Europa-Cups. In
Bilbao herrschte, wie man so schön sagt, Hochstimmung. Für Iñigo sollte es der letzte
Abend werden, den er bei Bewusstsein erlebt.
Bereits im Stadion San
Memes kam es zu einem Übergriff der Ertzaintza. Eine Provokation genügte, in
den Schalke-Block hineinzuprügeln, darunter Kinder und Familien. Erschrocken
über solche Unverhältnismäßigkeit, verließen einige aus Angst das Stadion.
Feiern an der Herriko
Taberna
Iñigo |
Nach den Spielen
gingen vor allem junge Fans in verschiedene Kneipen in der Stadt. Iñigo Cabacas
und viele andere gingen in eine Herriko Taberna [eine "Volkskneipe",
die von Anhängern der abertzalen Linken geführt wird]. In eine Herriko, die
sich auf einem kleinen "Platz" mit Pflanzgefäßen befindet, der durch
eine Gasse mit der Straße Licenciado Poza verbunden ist. Dieser kleine
"Platz" liegt abseits der Straße María Díaz de Haro in der Nähe des
Stadions; er verläuft parallel zur Straße San Mames selbst, einem Kneipenviertel,
das als Ziel der Fans nach einem Spiel im Stadion bekannt ist. Der Herriko ist
zu klein, um alle diejenigen unterzubringen, die sich dort versammelt haben.
Kein Problem, denn Besucher*innen versammelten sich außerhalb der Kneipe auf
dem Platz. Auf diesem Platz gab es ein Gerangel von ein paar Leuten, der Rest
der Anwesenden beruhigte dies, sagte ihnen sie sollten aufhören, da dies sei
eine Zeit zum Feiern ist. Das Handgemenge endete und die Feierlichkeiten gingen
weiter.
Die Polizei, dein
Freund und Helfer
Einige Zeit später
traf ein Kommando der Polizei ein. Es handelte sich um die Ertzaintza, eine
1982 geschaffene baskische Polizeitruppe von seinerzeit 7.500 Polizisten, die zu
dieser Zeit zahlreiche Zusammenstöße mit baskischen Streikposten und mit
Anhängern der abertzalen Linken hatte. Abertzales und viele andere bezeichnen
die Ertzaintza als "zipayos" (d.h. "sepoys", lokale
Soldaten, die von den Kolonialbesatzern rekrutiert wurden). Einige der Jugendlichen
empfanden die Ankunft der maskierten und behelmten Polizei als Provokation und
begannen, Flaschen auf den Einsatzwagen zu werfen.
Der Polizeibeamte,
der für den Einsatz zuständig war, bittet um Verstärkung, und diese wird
entsandt. Die eintreffende Polizeieinheit steigt aus ihren Wagen auf und
beginnt Gummigeschosse aus nächster Nähe auf die Menge zu feuern (der
"Platz" ist weniger als 45 Meter von der Straße entfernt), die Menschenmenge
zerstreut sich. Eine kleine Gruppe bleibt zurück, die Flaschen auf die Polizei
wirft, aber selbst sie tauchen schließlich zur Deckung ab. Die Menschen
verstecken sich in Türöffnungen, zusammengekauert an die Wände auf beiden
Seiten des "Platzes". Die Besucher*innen in der Kneipe fragen sich,
was da vor sich geht. Ein ortsansässiger Ladenbesitzer hat die Jalousie über
seinem Eingang hochgezogen, und die Leute drängen sich dort hinein. Einige
Menschen verstecken sich hinter den hölzernen Pflanzgefäßen, die in einer Reihe
in der Mitte des engen Platzes stehen.
Gummigeschosse
Die Kugeln der
Gummigeschosse fliegen 200m pro Sekunde schnell, das sind 720 km/h – unmöglich
sie kommen zu sehen. Die offizielle Polizeianweisung lautet, nicht aus der Nähe
und nur auf die untere Körperhälfte zu schießen. Doch die Mehrzahl der registrierten
Verletzungen sind vom Rücken aufwärts, sie haben bereits zu sechsstelligen
Entschädigungszahlungen geführt. Denn der Einsatz dieser „Mordinstrumente“ ist
nicht nur lebensgefährlich, sondern auch geächtet. In einer Reihe von
EU-Ländern sind sie verboten, der baskischen Regierung wurde deshalb im Jahr 2011
eine Rüge erteilt.
Die Ertzaintza
eskaliert weiter und verliert den Überblick
Doch zurück zur
Nacht des 5. Aprils 2012. Nach einiger Zeit gehen drei junge Männer mit
erhobenen Händen auf die Polizei zu und bitten sie, mit dem Abfeuern von
Gummigeschossen aufzuhören; die Polizei schlägt sie mit Schlagstöcken.
Währenddessen werden einige in der Menge in der Nähe darauf aufmerksam, dass
eine Person auf dem Boden liegt, offenbar bewusstlos, wobei Blut aus dem Ohr
und dem Hinterkopf fließt. Menschen gehen zu ihm um ihm zu helfen, und einer
seiner Freunde erkennt Inigo Cabacas. Er holt sein Mobiltelefon und eilt auf
die Polizei zu, um ihr mitzuteilen, dass jemand schwer verletzt ist, und um
einen Krankenwagen zu rufen. Ein Polizeibeamter sagt ihm, er solle das Handy
fallen lassen. Iñigo Freund wiederholt seine dringende Bitte, und der
Polizeibeamte sagt ihm erneut, er solle das Handy fallen lassen, er schlägt auf
ihn mit einem Knüppel ein. Der Mann lässt sein Handy fallen und zieht sich vor
der Polizei zurück.
Die Polizei dringt
in auf den Platz vor und erreicht den verletzten Mann, um den sich einige Menschen
versammelt hatten; eine Frau leistet Erste Hilfe. Ein Polizist sagt ihr, sie solle
weggehen. Sie sagt ihm, dass der Mann
einen Krankenwagen braucht und dass sie Druck ausübt, um die Blutung zu stoppen. Er sagt, er wolle sich selbst überzeugen und
zieht an ihrem Arm, aber nach einer Weile hört er auf und geht weg. Schließlich
trifft ein Krankenwagen ein und bringt Iñigo Cabacas, der immer noch bewusstlos
ist, ins Krankenhaus, wo er im Koma liegt.
Iñigo Cabacas
stirbt nach drei Tagen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Die Autopsie der
Leiche von Iñigo Cabacas bestätigte, dass die Verletzungen, die er erlitten
hatte, durch den Aufprall eines Gummigeschosses verursacht wurden. Der junge
Mann wurde am Donnerstag um Mitternacht mit einem Schädelbruch und Blutungen in
das Krankenhaus Basurto eingeliefert. Er lag 72 Stunden lang im Koma, bis am
Montagmorgen medizinische Untersuchungen den Hirntod bescheinigten.
Reaktionen nach der
Tötung
Die erste
offizielle Reaktion gibt der Innenminister der autonomen baskischen Regionalregierung,
Rodolfo Ares, der der Presse erklärt, dass die Ertzaintza ordnungsgemäß und im
Einklang mit ihren Verfahren gehandelt haben, obwohl er den unglücklichen Tod
des jungen Mannes bedauert. Er wiederholt auch die erste Verteidigungslinie der
Ertzaintza, dass sie aufgerufen wurden, einem bei einem Kampf Verletzten zu
helfen, und dass die Menge den anwesenden Krankenwagen daran hinderte, den
Verletzten Hilfe zu leisten.
Wenn Augenzeugen
ihre Version erzählen und die Reporter einiger Zeitungen beginnen,
Informationen zu sammeln, wird klar, dass der Minister den Vorfall in der zur
Verfügung stehenden Zeit unmöglich hätte untersuchen können. Darüber hinaus
stellt sich heraus, dass bis nach dem Vorfall kein Krankenwagen anwesend war,
und es scheint, dass zuvor kein Anruf für einen Krankenwagen gemacht worden
war. Darüber hinaus sagte die Frau, die Iñigo am Tatort begleitete, der
Sanitäter des Krankenwagens, als sie sich über die Verspätung ihres Eintreffens
beschwerte, dass die Polizei ihren Eintritt verzögert habe. Unter dem Sturm der
Kritik aus der Zivilgesellschaft und von der Partei der Abertzalen Linken, EH
Bildu, verspricht die Ministerin eine umfassende Untersuchung.
Die Aufnahmen, die
Gara vorlagen
Einige Zeit später
wird von der Gara, einer pro-unabhängigen baskischen Tageszeitung, eine
Aufzeichnung der Polizeikommunikation in der Nacht zur Verfügung gestellt. Aus
der Aufnahme wird Folgendes deutlich:
* Der Kontrolleur
im Hauptquartier Ertzaintza ruft den Verantwortlichen eines Polizeiwagens an
und weist ihn an, zum Herriko zu gehen, wobei er sagt, dass es dort zu einem
Kampf gekommen sei und dass jemand verletzt sei.
* Der Verantwortliche
des Einsatzwagens berichtet, dass sie angekommen sind und dass einige mit
Flaschen nach ihnen werfen, dass sie Verstärkung benötigen. Der Krankenwagen
wird nicht erwähnt.
* Der Kontrolleur
bestätigt, dass Verstärkung geschickt wird.
* Die Verstärkung trifft
ein. Einer der Leiter der Einsatzfahrzeuge meldet nun, dass nichts passiert,
alles ist in Ordnung.
* Der Kontrolleur
antwortet, dass er möchte, dass die Polizei in das Gebiet eindringt, es in
Besitz nimmt und alle notwendigen Verhaftungen vornimmt. Er betont, dass er
klar verstanden werden möchte, dass sie "mit allem, was wir haben, in die
Herriko gehen" und die Kontrolle über das Gebiet übernehmen sollen,
"und dann wird alles in Ordnung sein".
* Der Leiter des
Einsatzwagens antwortet, dass der Befehl verstanden habe. Bald danach sind Schüsse
zu hören.
Kampagne des Fanclubs
aupaAthletic
Die Fangruppe aupaAthletic starteten
eine Kampagne, die als Ziel eine gründliche Untersuchung des Todes von Iñigo
Cabacas und den Rücktritt des Innenministers der Baskischen Autonomen
Gemeinschaft, Rodolfo Ares, hat.
Der Text des Aufrufs
Was als Feier eines
Fußballsieges begann endete mit Tränen und Chaos, als die baskische Polizei
Ertzaintza eingriff und die Situation außer Kontrolle geraten ließ. Der
28-jährige Athletic Bilbao-Fan Iñigo Cabacas wurde nach dem Europa League-Spiel
gegen Schalke 04 in der vergangenen Woche von einem Gummigeschoss der Polizei
am Kopf getroffen und starb.
Vier Tage später
gab der baskische Innenminister Rodolfo Ares eine Pressekonferenz um die Sache
zu erklären. In seiner Stellungnahme gab er an, Iñigo sei schon vor dem
Polizeieinsatz verletzt gewesen, auch wenn Augenzeugen dem wiedersprachen.
Außerdem gab er an, der Ertzaintza-Einsatz sei nötig gewesen, um auf
vorangegangene Aktionen zu antworten. Auch diese Aussage stimmt nicht mit den
Aussagen der Augenzeugen überein. Die Autopsie bestätigte jedoch, dass Iñigo
aus nächster Nähe durch ein Gummigeschoss ums Leben kam. Deshalb gab
Innenminister Ares eine zweite Pressekonferenz, in der er sein Statement in
eine andere Richtung lenkte. Um das mediale Bild der Polizeiverantwortung zu
verfälschen, machte er Andeutungen zu Iñigos angeblicher politischer
Einstellung, welche jedoch unbekannt ist und hier auch keine Bedeutung hat.
Zwei Wochen später hat Ares immer noch nicht gesagt, ob er zurücktritt. Er weist
jedoch weiterhin jede Verantwortung an dem Fall von sich und zweifelt die
Autopsie an.
Was bleibt ist eine
Familie, die ihren Sohn auf grausame Art und Weise verloren hat, eine Gruppe
von Freunden, die einen guten Freund in einer Nacht verloren hat, die eigentlich
feiernd verbracht werden sollte, und die Athletic Bilbao-Fans, die von seinem
Tod geschockt und zutiefst getroffen sind. Er ist gegangen und nichts wird ihn
zurückbringen. Trotzdem müssen wir zusammenstehen und die Wahrheit suchen, da
es jeden von uns zu jeder Zeit genauso treffen kann.
Die Polizei sollte
uns ein Gefühl der Sicherheit und Beschütztheit vermitteln. Stattdessen haben
die Leute Angst, wenn Polizei vor Ort ist, wenn Geschosse blind abgefeuert
werden und jeder versehentlich verletzt oder getötet werden kann. Aus diesem
Grund hört man heuzutage immer öfter von Machtmissbrauch und gerichtlicher
Straflosigkeit. Der Tod von Iñigo darf nicht ohne Konsequenzen bleiben, wir
stehen zusammen und suchen die Wahrheit. Wir müssen daher folgendes fordern:
- ein gerechteres,
transparenteres System, eines, das die inakzeptablen innerpolizeilichen
Ermittlungen beendet. Es muss gründlich ermittelt werden und es sind die zur
Rechenschaft zu ziehen, die schuldig sind. – wir fordern den Rücktritt von
Rodolfo Ares wegen des Todes von Iñigo Cabacas
Wir fordern
Gerechtigkeit!
Fußballfans verdienen diese Misshandlung durch die Polizei nicht!
San Mamés |
Die Suche nach
Gerechtigkeit
Die Familie des
Opfers beauftragte einen Anwalt, Jone Goirizelaia. Dieser muss feststellen,
dass die polizeiliche Untersuchung unter dem Vorwand der gerichtlichen
Untersuchung eingestellt wurde, Nach Angaben des Anwalts der Familie enthält
die Akte nur drei Seiten.
Es wird eine Reihe
von rechtlichen Anträgen gestellt, z.B. dass die gesamte Polizei des Vorfalls
verpflichtet wird, eine Aussage zu machen, dass alle Polizisten, die eine
Gummigeschosspistole abgefeuert haben, identifiziert werden, dass der
Kontrolleur verpflichtet wird, eine Aussage zu machen, aber alle werden von
einem Richter unter Angabe einer Reihe von Gründen abgelehnt. In den folgenden
drei Jahren wird wenig festgestellt, außer dass drei Polizisten freiwillig
zugeben, Gummigeschosse abgefeuert zu haben, und die Identität des Kontrolleurs
am Abend allgemein bekannt wird. Es gibt eine weit verbreitete Empörung, als
der am Todestag von Iñigo diensthabende leitende Offizier zum Chef der
Ertzaintza ernannt wird. Auf einer abgehaltenen Pressekonferenz gab der Anwalt
der Familie Cabacas, Jone Goirizelaia, bekannt, dass sie möglicherweise den
Offizier identifiziert habe, der den tödlichen Schuss abgegeben habe.
Im Verlauf der
Kampagne von Anhängern der Familie Cabacas stellte sich heraus, dass die
Polizei in Bezug auf den Vorfall kein anerkanntes Verfahren befolgte: Es wurden
keine Nachbesprechungserklärungen von jedem der Polizeiteilnehmer aufgenommen,
die Schusswaffen wurden nicht untersucht, um festzustellen, welche abgefeuert
worden waren, und es wurde keine Bestandsaufnahme der Anzahl der abgefeuerten
Gummigeschosse durchgeführt. Es wurde kein Versuch unternommen, nach dem Vorfall
mit Zeugen Kontakt aufzunehmen, um sich ein Bild von dem Geschehenen zu machen.
Tatsächlich wurden einige Zeugen, die sich an die Polizeidienststelle wandten,
um eine Aussage zu machen, aufgefordert, sich zu entfernen.
Erklärung von Eusko
Alkartasuna
Juanjo Agirrezabala |
In einer Erklärung,
die drei Monate nach dem Tod von Iñigo Cabacas durch eines von der Ertzaintza
verschossenen Gummigeschosses verschickt wurde, hatte der Eusko Alkartasuna Parlamentarier
Juanjo Agirrezabala angeprangert, dass das Innenministerium von Lakua trotz der
verstrichenen Zeit "immer noch nicht geklärt hat, was passiert ist, und
seine Zuständigkeiten auf interner Ebene nicht geklärt hat.“
"Der
Innenminister [Rodolfo Ares] versteckt sich hinter der Tatsache, dass das
Justizsystem weiter ermittelt, aber die Wahrheit ist, dass das Innenministerium
noch nicht einmal erklärt hat, wer den Schießbefehl gab und wer das Geschoss
abgefeuert hat", welches den Tod Cabacas' verursachte, prangerte der
Parlamentarier von EA an, der darauf bestand, dass "die Bürger das Recht
haben, die Wahrheit zu erfahren, und es die Pflicht der Regierung ist, sie im
Detail wieder zu geben.
Agirrezabala sagte,
er befürchte, dass der Tod von Cabacas ungestraft bleiben könnte, und
beschuldigte Ares, nicht zur Aufklärung der Geschehnisse beigetragen zu haben,
da "das Innenministerium eine Version der Ereignisse konstruiert hat, die
nicht mit der der Zeugen übereinstimmt, bis hin zu dem Punkt, dass der Stadtrat
selbst so weit ging, sie im Parlament der Lüge zu beschuldigen, um die
Ertzaintza zu diskreditieren".
Der EA-Sprecher im
Plenarsaal von Gasteiz wirft dem Innenministerium von Lakua daher vor,
"undurchsichtig und ohne wirkliche Bereitschaft zur Klärung der Dinge zu
handeln und, was noch schlimmer ist, sich zu weigern, die notwendigen
Entscheidungen zu treffen, um sicherzustellen, dass sich derartige Vorkommnisse
nie mehr wiederholen, d.h. die Verwendung von Gummibällen ausnahmslos in allen
Ertzaintza-Einheiten zu verbieten, wie EA nachdrücklich gefordert hat".
Gummigeschossverbot
abgelehnt
Im Jahr 2015 wurde
dem baskischen Parlament ein Antrag vorgelegt, den Einsatz von Gummigeschossen
in dem von ihm kontrollierten Gebiet (CAV) zu verbieten. Stattdessen wurde ein
Vorschlag angenommen, den Einsatz der Geschosse auf "Situationen ernster
Gefahr" für die Polizei "zu beschränken" und "definitiv einen
Ersatz zu suchen". Die spanische rechtsgerichtete PP, der liberale
spanische Gewerkschafter UPyD und die PNV (Baskische Nationalisten) stimmten
dafür, zusammen mit der baskischen Version der spanischen Sozialdemokraten, der
PSE. Das einzige Parteibündnis, die gegen den Änderungsantrag stimmte, war EH
Bildu, sie hatten den ursprünglichen Antrag gestellt, der auf ein vollständiges
Verbot und die Entfernung der Raketen abzielte.
Cabacas Eltern vor der Gedenktafel am Tatort |
Unter den
Teilnehmern der Parlamentsdiskussion auf der Besuchertribüne befanden sich auch
die Eltern von Iñigo Cabacas. Danach standen sie auf dem Korridor draußen dem
Sprecher der PNV, Joseba Egibar, gegenüber. Während des Austauschs versuchte
ein anderer PNV-Abgeordneter, Luke Uribe-Etxebarria, das Filmen durch den
baskischen Fernsehsender ETB zu verhindern. Dieser Versuch wird Gegenstand
einer Beschwerde von EH Bildu an den Parlamentspräsidenten sein; sie betrachten
ihn als besonders schwerwiegend, da Uribe-Etxebarria auch im Vorstand des
Fernsehsenders sitzt und die Dreharbeiten in öffentlich zugänglichen Bereichen
stattfanden.
"Ich werde nie
wieder in dieses Parlament kommen .... Ich fühle mich betrogen", sagte
Manue Cabacas, Vater des Verstorbenen, als er über die Mehrheitsentscheidung
sprach. "Mein Sohn ist tot .... Ich wollte nur sicherstellen, dass es nie
wieder jemand anderem passieren würde …"
April 2018 |
Nach drei Jahren
noch keine Anklagen
Am dritten
Jahrestag des Tods von Inigo "Pitu" Cabacas wurde neben vielen
anderen Gedenkfeiern im Baskenland eine zehnminütige Schweigeminute im Stadion
von San Mames eingelegt. Neben Inigo Cabacas gedachten viele auch Aitor
Zabaleta, Fan der Mannschaft Real Sociedad, der 1998 in Madrid von
faschistischen Ultras des Club Atletico Madrid ermordet wurde. Viele Basken waren sich nach drei Jahre
bewusst, die seit Inigo Cabacas' Todes vergangen sind, ohne dass jemand im
Zusammenhang mit seinem Tod auch nur angeklagt worden ist, sei es beim
Verhalten der baskischen Polizei oder im Vorgehen oder in der Verwendung von
gummibeschichteten Stahlgeschossen. Ein
Wechsel in der politischen Kontrolle der baskischen Regionalregierung von der
sozialdemokratischen Partei von Patxi Lopez zur Baskisch-Nationalistischen
Partei (PNV) von Urkullu hat keine Auswirkungen gehabt.
Demo-Aufruf 2019-04-11 |
Gara und Ugarteko
Iñaki Soto, Chefredakteur von Gara, mit Cabacas Eltern |
Im Februar 2018 enrschied
ein Richter im Fall Cabacas zugunsten von Gara. Der Chef der autonomen
baskischen Polizei hatte gegen die Zeitung eine Beschwerde eingereicht, in der
er behauptete, sie habe seine "Ehre" und "Privatsphäre"
verletzt. Ein Gericht in Bilbo hatte eine Klage des Leiters der Ertzaintza,
bekannt als Ugarteko, gegen die Zeitung Gara und den Anwalt der Familie von
Iñigo Cabacas, Jone Goirizelaia, abgewiesen. Ugarteko verlangte von der Zeitung
und dem Anwalt 250.000 Euro und sagte, sie hätten seine "Ehre" und
"Privatsphäre" nicht respektiert. Mehrere Videos von Gara zeigten
damals, wie Ugarteko die Befehle für den Polizeieinsatz gab, der im April 2012
das Leben von Cabacas forderte. Der Richter entschied, dass die Journalisten im
Rahmen ihres Berufs handelten. Der Richter argumentierte auch, dass Garas
Veröffentlichungen in diesem Fall in den Bereich der Informationsfreiheit fielen.
Polizeibeamter
verurteilt, fünf Freisprüche
Das Urteil erging
zwanzig Tage nach Abschluss des Prozesses: Das Gericht von Bizkaia hat den
pensionierten Polizeibeamten Juan José de Pablo wegen des Todes von Iñigo
Cabacas, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Es handelt sich um den
Polizeibeamten, der die Version verteidigte, zum Zeitpunkt der Ereignisse nicht
geschossen zu haben. Fünf weitere baskische Polizisten wurden freigesprochen.
Einer der sechs
baskischen Polizisten, die wegen des Todes von Iñigo Cabacas angeklagt waren,
wurden nach einem von den Beamten abgeschossenen Gummigeschosses verurteilt. Das
Urteil betrifft Juan José de Pablo, der vom Gericht von Bizkaia zu zwei Jahren
Gefängnis verurteilt wurde. Vier Jahre lang kann der pensionierte Polizeibeamte
seinen Beruf nicht ausüben. Der Richter beschuldigte ihn "eines
Verbrechens der Tötung durch schwere berufliche Fahrlässigkeit". Die
anderen Angeklagten, Kepa Muriel, Tomás González, José Ignacio Moure, Dany
Johnny Fernández und Eduardo Guzmán, wurden freigesprochen.
Er ist die einzige
Person, die am Tag des Vorfalls, dem 5. April 2012, mit seinem Vorgesetzten
über seine Uneinigkeit mit dem Abfeuern von Gummigeschossen auf der Straße in
Bilbo kommuniziert hatte. Die anderen Angeklagten sagten dem Richter, dass Juan
José de Pablo an Ort und Stelle das Kommando hatte, obwohl er sagte, er sei nur
für seinen Einsatzwagen verantwortlich gewesen und er sei nicht einmal aus dem
Wagen ausgestiegen. Der Prozess im Fall Cabacas begann am 15. Oktober und
endete am 9. November, sechseinhalb Jahre nach den Ereignissen. Die Familie
hatte für jeden der sechs Polizeibeamten vier Jahre Gefängnis beantragt. Der
Staatsanwalt verteidigte seinerseits den Freispruch.